Ich war drin! Der 1.EX-IN Kurs 2024/ 2025

Oktober 20, 2025 0 Von Catharina Flader

„Ich war drin“! So stand es auf dem Sticker des Abschiedsgeschenks, von einer Kursteilnehmerin nach ihrer gehaltenen Abschlusspräsentation, ein Bestandteil der Voraussetzungen fürs Zertifikat Genesungsbegleiter.

Der letzte Kurstag, ein würdevoller Abschieds- und Feiertag, ein so besonderer Tag für uns alle! Jeder hielt seine Präsentation am 12 Modul- Wochenende und erhielt Rückmeldungen im „Reflecting Team“, eine professionelle und wertschätzend Form, die wir im Kurs lernten. Dabei wurde deutlich, dass die Präsentationen, die individuelle Persönlichkeit der EX- IN Kursteilnehmer widerspiegelten, wie z. B. im Fachvortrag, in Briefform, als freie Rede, gemalte Bilder der 12 Module, zerknüllte und weggeworfene Schreibversuche, oder als Brettspiel- jaaaa, selbst so etwas geht und machte auf eindrucksvolle Weise sichtbar, was in uns- oft hart stigmatisierten Menschen- steckt! Dieses Spiel benennt auf leichte Weise, welche Kämpfe psychisch Kranke ausgesetzt werden und wie man sich über kleine Gesten von Auszeiten, hierbei in Form von „Jokerkarten“ erfreut.

War nicht auch schon Vincent van Gogh „verrückt“ und gleichzeitig Künstler, oder nennen wir ihn jetzt mal Held?

So sind wir schon bei der Heldenreise im EX- IN Kurs, im Rahmen von Recovery. Letzteres bedeutet- Wiederherstellung, Betroffene finden einen Weg, gut damit zu leben- Genesung ist möglich!

Anmerkung der Verfasserin: „Genesung ist möglich“- war für mich noch vor zwei Jahren undenkbar, ich hätte diese Worte nicht mal aussprechen können. Und jetzt in diesem Moment merke ich, wie ich ein flaues Gefühl im Magen habe, Traurigkeit über das, was war. Tränen steigen auf und gleichzeitig Zuversicht- was für ein Wort für mich, ein Hauch von Stolz und große Freude hier schreiben zu dürfen und die unglaubliche Erfahrung, ich bin stabil, trotz Krisen- „Labil stabil bleiben“, ein Spruch auf den EX- IN Infokarten, den ich anfangs im Übrigen gar nicht verstand- heute lebe ich ihn!

Zurück zur Heldenreise, zu den Etappen: „Der Ruf- Der Mentor- Die Schwelle- Der Weg-Die Rückkehr“. Was lösen diese Überschriften in Ihnen liebe Leser aus?
Befremdlich? Mystik? Neugierde?
Der Recoveryprozess machte im Kurs deutlich: es gibt Hoffnung, eine instinktive Neuordnung löst Verstehbarkeit, (neue) Sinnhaftigkeit und (nachhaltiges) Handeln aus.

So steht es auf einem Kurs- Arbeitsblatt und wir „sollten eben mal so“ in 30 – 45 Minuten, unsere eigene Heldenreise schreiben. Unmöglich?! Wir haben uns darauf eingelassen. Einer Kursteilnehmerin wurde dabei klar, dass ihr letztes Handeln in einer Krisensituation, zwar mit ungewollten und massiven Veränderungen in ihrem Leben einherging, an denen sie zunächst völlig zerbrochen ist und sich dem Tod näher gefühlt hatte, als dem Leben. Doch im Nachhinein wurde spürbar, dass diese Veränderungen notwendig waren. „Manchmal muss erst etwas kaputt gehen, bevor Neues entstehen kann, sagt sie sich heute“.

Ein wichtiges Kurselement war die Subjekte Seite. Kleingruppen stellten zu verschieden Diagnosen (zu denen man sich selbst zuordnete), ihr individuelles Erleben vor, abseits von den ICD- 10 Merkmalen. Eindrücklich, wie unendlich lang die Papierrolle war, was z. B. bei ADHS bereits im Alltag erschwert ist, sei es eine Aufgabe überhaupt erst anzufangen, geschweige denn sie fertig zu stellen, was dabei an einem freien Sonntagnachmittag alles im Kopf los ist und letztendlich eine eigentlich gewünschte Verabredung, nicht ausgemacht werden konnte. Bewegend bei DIS (Dissoziative Identitätsstörung), die professionellen und gleichzeitig verstehbaren Antworten der Betroffenen, in der anschließenden Fragerunde.

Lautstärke und Reizüberflutung ist oft Thema bei der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Eine reduzierte Reizschwelle zu haben, was Sinneseindrücke wie Licht, Lärm, Menschenanhäufung und Bewegungen betrifft. Dies wirkt sich u.a. negativ auf das Teilnehmen von Veranstaltungen oder Freizeit aus und sogar bei der Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs. Im Extremfall von Triggern, bei überwältigendem Stress, kann es zur Dissoziation führen, ein sich Abspalten oder Losgelöstsein seines Selbst und/ oder des Körpers.

Nicht nur Menschen mit PTBS erleben häufig intensive Schamgefühle. Zwar kennen ebenso psychisch gesunde Personen Scham, jedoch meist in abgeschwächter Form oder in anderen Zusammenhängen. Bei einer PTBS kann Scham bedeuten, sich nicht weiblich kleiden zu können, den eigenen Körper verhüllen zu müssen oder alltägliche Aktivitäten wie einen Schwimmbadbesuch als unüberwindbar zu empfinden.

Aufkommende Scham kann das Sprechen über das Trauma oder die Scham selbst, unmöglich machen und führt dazu, dass keine Hilfe angenommen bzw. geleistet werden kann.

Ein eindrucksvolles Kurselement war die Persönliche Geschichte, dir wir EX- IN’ler völlig frei gestalten und vortragen konnten. Da wurde das Ausmaß der Diagnosen, der tief berührende Lebens- und Leidensweg, die Anstrengungen und insbesondere oft die fehlende Anerkennung des Leides, spürbar. Die meisten sprachen Erlebtes erstmalig offen aus, was an anderer Stelle unmöglich war, weil evtl. das Vertrauen fehlte, oder aus Angst und Scham. Viele kannten es aber nicht anders, weil es „normal und einfacher“ war, diese „ver- rückten“ Dinge unbenannt zu lassen. Stigmatisierung in dem Zusammenhang spricht Bände und erklärt dieses oft ungehörte Leid. Doch Krisen zeigen sich auch positiv, in Stärke, Energie, Kreativen Prozessen und wohltuende Leistungsfähigkeit- zumindest vorübergehend.

Bei dieser Intensivität der Thematik im EX- IN Kurs können Sie lieber Leser sich nun fragen, welche Trainer- Qualifikation es braucht, um mit angehenden Genesungsbegleitern- also mit kreativen, erfahrenen, gezeichneten, feinfühligen und besonderen Menschen- im Kurs zu arbeiten, ins Gespräch zu kommen und evtl. auftretende Krisen ein Stück weit aufzufangen – Trommelwirbel…:

Es sind Betroffene die einen EX- IN Kurs zum Genesungsbegleiter absolviert haben, obendrauf den EX- IN Trainer- Kurs packten um im Tandem, mit einer gelernten Fachkraft, die ebenfalls den Trainerkurs belegte und sich auf die Peerarbeit einlassen kann und hinter der Diagnose den Menschen sieht, spürt, begleitet, ernst- und wahrnimmt.

Dieses Trainer- Tandem lehrt, begleitet, hinterfragt, trägt, motiviert, interveniert, berührt und zeigt nicht nur uns frisch gebackenen Genesungsbegleitern, das Betroffene mehr sind als ihre Diagnose. Wir sind Menschen in denen etwas „ver- rückt“ ist, oftmals aus nachvollziehbaren Gründen oder als Schutzfunktion.

Und wenn wir– Psychiatrie Erfahrene– auch als Patient in die Behandlung mit einbezogen werden, ernst genommen und gesehen werden, im richtigen Umfeld uns entfalten dürfen- wie auch der Pinguin, dieser kann seine besonderen Schwimmkünste nur in seinem Element Wasser zeigen- kommen ungeahnte Fähigkeiten ans Licht- nämlich 20 Genesungsbegleiter in Karlsruhe- Experten aus Erfahrung.

Verrückt, nicht wahr und „wir waren drin“?!

Verfasserin: Martina Bonnet